Alexander der Große

Die Vorbildfunktion des Achilles für Alexander den Großen

2.4.1 Die symbolischen Akte Alexanders

Alexander der Große führte während des Asienfeldzuges eine Reihe von symbolischen Akten aus. Im Folgenden werden nur solche Handlungen dargestellt, die Alexander bewusst mit direktem Bezug auf Achilles und die Ilias vollzog.
Alexander begann den Asienfeldzug mit mehreren symbolischen Akten, indem er wichtige Orte und Personen der Ilias huldigte.
Noch vor der Ãœberquerung des Hellespontes brach Alexander nach Elaius auf, um dort den Helden Protesilaos zu ehren.
Dies geht aus dem Bericht des römischen Historikers Arrian über den Alexanderzug aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. hervor,[56] in dem er schreibt:

„In Elaius aber brachte Alexander dem Protesilaos an dessen Grabmal ein Opfer dar, denn dieser galt von denen, die zusammen mit Agamemnon gen Ilion gezogen waren, als der erste, der Asiens Boden betrat.“[57]

Mit dieser Handlung stilisierte Alexander sein Asienfeldzug zu einem Nachfolgekrieg des Trojanischen Krieges, indem er sich zu Beginn seines Feldzuges ganz explizit auf dessen Teilnehmer bezieht.
Die Verknüpfung mit der Ilias führte Alexander auf asiatischem Boden fort, indem er dort als erstes die Stadt Ilion aufsuchte. Dort soll er auch das Grab von Achilles besucht haben:

„Andere berichten, dass Alexander auch das Grab des Achilles bekränzte, und von Hephaistion heißt es, er habe das gleiche am Grabe des Patroklos getan.“[58]

Aus dieser Aussage von Arrian geht hervor, dass Alexander in hohem Maße den Vergleich mit Achilles förderte. Dies wird umso klarer dadurch, dass Hephaistion, der engste Freund von Alexander, das Grab von Patroklos ehrte, der wiederum der engste Vertraute von Achilles war. Dadurch vergleichen die beiden ihre Beziehung mit der von Achilles und Patroklos und stellen sich in ihre Nachfolge.
Trotz der Möglichkeit, den Asienfeldzug durch die Inszenierung einer Parallele zum Trojanischen Krieg positiv aufzuwerten, werden die eben genannten Handlungen auch im eigenen Interesse Alexanders gewesen sein, da er seinen Vorfahr Achilles auch aus eigenem Antrieb verehrte.
Weitere symbolische Handlungen lassen sich bei Alexander im Bereich der Götterverehrung finden.
So soll er am Abfahrtsplatz in Sestos, sowie am Landeplatz in Asien unter anderem für Zeus und Athene Altäre errichtet haben.[59] Zeus spielt in der Ilias wie schon erwähnt eine große Rolle für Achilles, da dieser meint von ihm abzustammen.[60] Athena wiederum ist in der Ilias die Stadtgöttin Trojas[61] und erscheint im ersten Gesang zugleich als Schutzgöttin von Achilles.[62] Bei der Ehrung dieser beiden Götter lässt sich also neben seinen persönlichen Motiven ein Bezug zu der Ilias herstellen.
In der Ilias spielen die kriegerischen Auseinandersetzungen und die Darstellung des Achilles als herausragenden Kämpfer eine große Rolle. Deshalb fungierte Achilles auch in diesem Bereich als ein Vorbild für Alexander

Ein Beispiel sei hier genannt:
Die Stadt Gaza an der Küste Palästinas wiedersetzte sich Alexander dem Großen unter der Führung des Stadtkommandanten Batis. Nach zwei Monaten Belagerung wurde die Stadt schließlich im Herbst 332 eingenommen und Batis angeblich nach dem Vorbild der Ilias hingerichtet. Curtius Rufus beschreibt diese Tat in der Alexandergeschichte, die wahrscheinlich im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand,[63] folgendermaßen:

„Es wurden nämlich dem noch Atmenden die Knöchel durchbohrt, Riemen hindurchgezogen, und so an einen Wagen gebunden schleifte ihn ein Rossegespann um die Stadt, während sich der König rühmte, den Achill (…) bei der Bestrafung seines Feindes nachgeahmt zu haben.“[64]

Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist jedoch umstritten und es ist fraglich, ob Alexander sich selbst mit der Nachahmung des Achilles rühmte, da Curtius Rufus der einzige Quellenautor ist, der Achilles explizit in diesem Zusammenhang erwähnt.[65]
Entspricht diese Episode jedoch den historischen Tatsachen, lässt sich ein eindeutiger Bezug zu Achilles Verhalten herstellen, da dieser auf eben diese Art und Weise Hektors Leichnam im 22. Gesang der Ilias schändet:

„Denn er durchbohrte ihm hinten an beiden Füssen die Sehnen zwischen Knöchel und Ferse, durchzog sie mit Rindslederriemen, band am Wagen sie fest und ließ den Kopf dabei schleifen.“[66]

Eine weitere direkte Nachahmung von Achilles zeigt sich in Alexanders Verhalten nach dem Tod von Hephaistion, der im Herbst 324 in Ekbatana starb.[67] In der Ilias schert sich Achilles nach Patroklos Tod die Haare[68] und mehrere Quellen berichten, dass Alexander dies auch nach Hephsistion Tod getan haben soll. So zum Beispiel Arrian:

„Daß Alexander persönlich sich zu Ehren des Toten das Haar abschnitt, halte ich im Übrigen für möglich; er scheint sich dabei an sein Vorbild Achill gehalten zu haben, dem er seit Kindheitstagen es gleichzutun bemüht war.“[69]

Plutarch berichtet noch ergänzend, dass Alexander sogar befahl, auch den Pferden und Maultieren zum Zeichen der Trauer die Mähnen abzuscheren.[70] Diese Imitation zeigt nochmals wie Alexander seine und Hephaistions Beziehung mit der von Achilles und Patroklos gleichstellte. Zugleich zeigt sie, dass Achilles Vorbildfunktion für ihn so stark war, dass Alexander in einem Moment echter Trauer das Verhalten von Achilles für sich als Richtlinie ansah.
Die Ausführungen haben gezeigt, dass Alexander der Große auf sehr unterschiedliche Art und Weise auf die Ilias und Achilles Bezug nahm. Dies geschah durch die Aufsuchung „homerischer“ Orte, die Ehrung „homerischer“ Helden und Götter, und durch direkte Nachahmung seines Vorbildes, wie es die letzten beiden Beispiele gezeigt haben.

[56] Wiemer: Alexander. S. 22.

[57] Arrian: Alexanderzug. S. 43.

[58] ebd. S. 45.

[59] Arrian: Alexanderzug. S. 43.

[60] Homer: Ilias. S. 437.

[61] Ameling: Alexander und Achilleus. S. 674.

[62] Homer: Ilias. S. 9.

[63] Wiemer: Alexander. S. 25.

[64] Curtius Rufus: Alexandergeschichte. S. 61.

[65] Ameling: Alexander und Achilleus. S. 681.

[66] Homer: Ilias. S. 466.

[67] Wiemer: Alexander. S. 164. .

[68] Homer: Ilias. S. 475-476.

[69] Arrian: Alexanderzug. S. 567- 569.

[70] Plutarch: Alexander. S. 93.
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