Stress

Stress - Grundlagen, Auslöser und Bewältigungsmöglichkeiten

5. Leistungsangst

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Grundlagen von Stress angesprochen wurden, will ich nun versuchen dies mit dem Beispiel der Leistungsangst zu illustrieren. Wie bereits in Kapitel 3 erwähnt, nimmt der Leistungsbegriff eine zentrale Rolle beim Erleben von Stress ein. Leistungsangst ist also ein möglicher Auslöser von Stress und kann der Kategorie „Leistungsstressoren“ zugeordnet werden. Ich denke, es lässt sich daran sehr gut zeigen, wie komplex die Wirkungszusammenhänge von Person und Situation sind. Das Wechselspiel der beiden Komponenten gestaltet sich nämlich häufig undurchschaubarer und verzweigter, als es in den vereinfachten Modellen den Anschein erregen mag.
Leistungsangst ist stark von Persönlichkeitsbedingungen beeinflusst. Somit kann man an Hand dieses Beispiels die Bedeutung der individuellen Dispositionen verdeutlichen. Zudem ist Leistungsangst ein Thema, welches vielen Schülern als Auslöser von Stress vertraut sein dürfte.

In einer Studie der HU Berlin (2001) wurden 3262 Schüler der 8. Jahrgangsstufe zum Thema Leistungsangst befragt. Das Ergebnis stellte sich wie folgt dar:


Auf der Y-Achse lässt sich der prozentuale Anteil der Schüler ablesen, bei denen sich mindestens eine moderate Form von Leistungsangst feststellen ließ.
Bei der Untersuchung kam insgesamt heraus, dass 29% der Schüler unter Leistungsangst litten. Bei 3% konnte man Leistungsangst in extremer Form feststellen. Insgesamt berichteten Mädchen von einer höheren Leistungsangst als Jungen.[1]

Um sich aber nun dem Thema zu nähern, muss ich zunächst den Themenbereich definieren.
„Leistungsangst ist die Besorgnis und Aufgeregtheit angesichts von Leistungsanforderungen, die als selbstwertbedrohlich eingeschätzt werden.“[2] Darin enthalten sind drei Komponenten: Auslösesituation (Leistungsanforderung), subjektive Einschätzungsprozesse (Selbstwertbedrohung) und die daran anschließenden Kognitionsinhalte (Besorgnis und Aufgeregtheit).[3]
Leistungsangst und Stress sind also äußerst eng miteinander verknüpft. Dies zeigt sich auch in der Definition von Angst: „Ein vielgestaltiger und in Entwicklung, Ablauf und äußerem Ausdruck individuell sehr unterschiedlicher Affektzustand, der mit physiologischen Vorgängen verbunden ist. [...] Stets ist A. eine Reaktion auf einen drohenden Werteverlust, sei es eine Gefahr für das eigene Leben oder für das Leben anderer, sei es die Bedrohung irgendeines anderen objektiven oder subjektiven Wertes.“[4] Diese Definition bleibt zwar sehr allgemein, aber sie lässt sich nahezu eins zu eins auf eine Definition von Stress übertragen.
Leistung wird hier als „Vollzug oder Ergebnis einer Arbeit in Relation zu einem Gütemaßstab“[5]gesehen. An diesem Maßstab werden verschiedene Leistungen gemessen. Er besitzt aber keine allgemeine Gültigkeit, denn er ist immer von Bezugsnormen abhängig. Auf diesen Punkt werde ich aber an späterer Stelle noch einmal eingehen.
Leistungsangst ist eine passive Reaktion auf eine allgemeine Überforderung. Durch sie kann die Hemmung der Leistungs-, Fähigkeits- und Persönlichkeitsentwicklung verursacht werden.[6] (Viele weiter Informationen zu den Themen Selbstverwirklichung,
Lebensziele und Persönlichkeitsentwicklung
finden Sie auch auf der schönen Seite tinto.de)
Kinder, die unter Leistungsangst leiden, schildern oft Stressreaktionen. Bereits im Grundschulalter klagen solche Kinder über Ess- und Schlafstörungen.[7]
Im Bereich der körperlichen Stressreaktionen geben 18% der betroffenen Kinder an, häufig krank zu sein. 51% klagen öfters über Kopfschmerzen; 47% leiden unter häufigen Bauchschmerzen und 26% geben an, schlechte Träume zu haben. Auf der Ebene der behavioralen Stressreaktionen ist ein Anstieg der Suchtkrankheiten zu verzeichnen. Kinder greifen immer früher zu Alkohol, Zigaretten oder Tabletten.[8]

Es gibt aber auch kognitiv-emotionale Folgen, die eine besondere Rolle spielen. „Die Angst bei einer Abfrage durch den Lehrer kann dazu führen, dass er [der Schüler] so gehemmt ist, dass er kein Wort heraus bringt.“[9]
Gerade Reaktionen auf dieser Ebene (z.B. Blackouts) führen dazu, dass Leistungsvollzug und Ergebnis behindert werden.[10] Es wird dadurch die Angst vor einem Misserfolg noch weiter erhöht. Bei einem tatsächlichen Misserfolgserlebnis steigt der Angstpegel dann weiter an. Dies hat dann nochmals einen negativen Effekt auf die Leistungsfähigkeit. Die Angst schraubt sich durch erneute Misserfolge weiter in die Höhe und provoziert dabei ein weiteres Scheitern.[11] Es entsteht also ein Teufelskreis, in dem sich Person und Situation gegenseitig beeinflussen.
Es muss hier allerdings erwähnt werden, dass jeder Mensch anders auf Angst reagiert, da sie unterschiedlich empfunden wird und somit auch zu verschiedenen Reaktionen führt.[12]
Die genauen Gründe, warum jemand Angst hat, den Anforderungen nicht zu genügen, lassen sich nur individuell festmachen. Klar ist aber, dass sowohl die Einstellungen des Individuums als auch die seiner sozialen Umwelt dazu beitragen.

An dieser Stelle möchte ich nun auf misserfolgsängstliche Personen eingehen. Sie sind besonders stark von Leistungsangst betroffen und leiden somit oft unter Stress. Ich denke, dass man an Hand dieses Beispiels die Wechselwirkung zwischen persönlichen Dispositionen und dem Einfluss der Situation, relativ gut verfolgen kann.

[1] Vgl. http://amor.cms.hu-berlin.de/~h0319kfm/aida.html. 13. 11. 04.

[2] Schwarzer, 1993. S. 105.

[3] Vgl. Ebd.

[4] Pössinger, 1982. S. 21.

[5] Schröder, 1980. S. 205.

[6] Vgl. Schröder, 1980.

[7] Hohmann, 1977.

[8] Vgl. Brinkhoff, 1990.

[9] Hobmair, 1991. S. 165.

[10] Vgl. Schröder, 1980.

[11] Vgl. Hildeschmidt, 1995.

[12] Vgl. Hohmann, 1977.
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