Stress

Stress - Grundlagen, Auslöser und Bewältigungsmöglichkeiten

6.2.1.2 Motivpassende Ziele

Es gibt verschiedene Motive. Die 3 häufigsten wurden von McClelland erarbeitet und sind wohl:

· Leistungsmotiv

· Machtmotiv

· Anschlussmotiv[38]


Neben dem Leistungsmotiv mit dem Ziel der Kompetenzerweiterung (bzw. dem Ziel Erfolg und dem Bedürfnis die eigene Leistung zu bewerten), gibt es noch andere Motive. Die wichtigsten sind wohl das Machtmotiv (der Wunsch andere zu dominieren und zu bestimmen) und das Anschlussmotiv (der Wunsch nach sozialen Bindungen und Intimität). Jeder Mensch hat unterschiedliche Motivausprägungen. So ist es dem einen sehr wichtig, Einfluss auf andere auszuüben und sich dadurch stark zu fühlen (hohes Machtmotiv), jedoch spielt für ihn die Entwicklung der eigenen Kompetenz eine eher untergeordnete Rolle und er übt sich nur in bestimmten Bereichen, um Prestige zu erlangen (geringes Leistungsmotiv).
Bei einem Zweiten kann es sich genau umgekehrt verhalten und bei einem Dritten ist keines der beiden Motive stark ausgeprägt, er hat aber dafür ein hohes Anschlussmotiv, da ihm soziale Beziehungen sehr wichtig sind. Neben diesen Motivausprägungen hat auch jeder Mensch ein motivationales Selbstbild von sich. Allerdings kann man sich nicht aller seiner Motive bewusst sein, weil das basale Motivsystem bereits in der frühkindlichen Phase vorsprachlich und zum Teil genetisch und neurohormonell festgelegt wurde.
So kommt es bei Menschen mit hohem Machtmotiv bei Erfolg zu einer hohen Testosteronausschüttung, was als belohnend empfunden wird. Beim Anschlussmotiv spielt das „Glückshormon“ Dopamin eine entscheidende Rolle und beim Leistungsmotiv geht man von der Wirkung des Vasopressin aus, was jedoch noch nicht hinreichend erforscht ist.
Unbewusst entscheiden diese Motive darüber, von welchen Situationen wir angezogen, bzw. abgestoßen werden. Dies geschieht unabhängig davon, ob es zu unserer Werteinstellung und dem bewussten Willen passt oder nicht.
Es ist immer wichtig, die Situation mit der Person in Verbindung zu setzen. Der Situationstyp muss dabei zu den basalen Motiven passen.
Bei einer Präsidentschaftskandidatur würden zum Beispiel hoch leistungsmotivierte Personen aufgeben, wenn ihnen das Ziel des Sieges unerreichbar anmutet, da ihnen der Weg zum Erfolg zu beschwerlich erscheint. Menschen mit hohem Machtmotiv hingegen, würden weiter kämpfen, da ihnen auch der Weg zum Ziel Freude macht. Sie haben Spaß an Rededuellen im Fernsehen und Diskussionen.[39]
Motivpassende Handlungsräume machen den Weg zum Ziel freudvoll. Stehen die Situationsanreize aber in Opposition zu den basalen Motiven, so benötigt man eine starke Willensanstrengung und ständige Abschirmung gegen verlockende Alternativen. Diese Anstrengung kann das Erleben von Stress begünstigen.
Häufig kommt es zu Fehleinschätzungen der basalen Motive. Dies kann dazu führen, dass falsche Entscheidungen getroffen werden, die zwar dem motivationalen Selbstbild, nicht aber den eigentlichen basalen Motiven entsprechen.
So kann sich jemand für sehr partnerschaftlich und beziehungsorientiert halten (hohes Anschlussmotiv), jedoch fühlt er sich nur wohl, wenn er in Beziehungen dominieren kann (hohes Machtmotiv).
Ein Problem kann darin entstehen, dass sich die Personen in der Situation zur Handlung zwingen müssen, da ihnen die motivational-affektive Unterstützung fehlt. Auch wenn dann das angestrebte Ziel erreicht wurde, tritt keine Freude, sondern nur Erleichterung ein, da das affektive Belohnungssystem (Hormone) der basalen Motive nicht zum Tragen kommt.
Diese Fehlinformiertheit kann sowohl das Wohlbefinden, als auch die Effizienz der Arbeit stören, da die Situation als belastend und somit als stresserzeugend empfunden wird.[40]
Hier kommen wir nun zum entscheidenden Punkt:
Situationen besitzen nicht nur einen, sondern mehrere Anreize, so dass auch verschiedene basale Motive angesprochen werden können. So mag das Hauptziel einer Handlung nicht zum eigenen Motivsystem passen, jedoch kann ein Nebenprodukt, ein vielleicht nicht ganz so stark ausgeprägtes, aber dennoch vorhandenes Motiv angesprochen werden. Dieser Anreiz ist dann nicht so stark ergebnisbezogener, sondern eher extrinsischer Natur, was aber trotzdem zur freudigen Durchführung einer Handlung führen kann.
So kann die Arbeit einem wenig leistungsmotivierten Menschen dennoch Spaß machen, da er ein hohes Anschlussmotiv hat und den Kontakt zu seinen Kollegen hoch schätzt.
Man kann demnach versuchen, eine Situation, die einem nicht at hock zusagt, motivpassend anzureichern. Dazu muss man sich aber seiner basalen Motive bewusst sein und gleichzeitig, die Anreizmöglichkeiten einer Situation treffend einschätzen können.[41]
Diese Fähigkeit, zu wissen, wie man im Bedarfsfall eine Situation so umgestalten kann, dass zumindest ein (wenn auch nur mäßig ausgeprägtes) Motiv angesprochen werden kann, ist ein wichtiger Stützpfeiler der motivationalen Kompetenz.
Durch diese Anreizanreicherung kann man in einer Situation effizienter und angenehmer handeln. Eine Situation, die als belastend empfunden wird, kann so umgestaltet und umbewertet werden, dass sie als weniger belastend wahrgenommen wird. Dem Stressor wird entgegengewirkt und das Problem wird durch eigene Initiative gelöst.
Hier gehe ich nun zum zweiten großen Stressinterventionskomplex über: das Entspannungstraining.

[38] Vgl. Zimbardo & Gerring, 2004.

[39] Vgl. Rheinberg, 2002.

[40] Vgl. Rheinberg, 2002.

[41] Vgl. Ebd.
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